Am besten mit Karte zum Arzt

Nach dem neuen Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz ist eine Krankenkasse zur Übernahme der Krankenbehandlung verpflichtet, „wenn sie dazu durch die Landesregierung oder die von der Landesregierung beauftragte oberste Landesbehörde aufgefordert wird und mit ihr eine entsprechende Vereinbarung mindestens auf Ebene der Landkreise oder kreisfreien Städte geschlossen wird“.
Nach Nordrhein-Westfalen im September hat Schleswig-Holstein Mitte Oktober mit den dortigen Krankenkassen eine solche landesweite Rahmenvereinbarung abgeschlossen, die einen Einsatz der eGK ab Januar 2016 vorsieht. In den Hansestädten und Stadtstaaten Hamburg und Bremen erfolgt die Ausstattung von Asylbewerbern mit der eGK und deren Gesundheitsversorgung seit Längerem nach dem „Bremer Modell“.
Das „Bremer Modell“ funktioniert
Dort übernimmt die AOK Bremen/Bremerhaven die Betreuung der Asylbewerber auftragsweise. Die Behandlungskosten werden ihr durch die Hansestädte erstattet, inklusive der Verwaltungskosten. Bis es auch in Sachsen und Thüringen eine entsprechende landeseinheitliche Regelung gibt, müssen Flüchtlinge nach der Erstuntersuchung, die in den großen Erstaufnahmeeinrichtungen oder in Krankenhäusern stattfindet, vor jedem Arztbesuch den Gang zum Sozialamt antreten, um sich einen Behandlungsschein zu besorgen (vgl. Blog-Artikel vom 14. April). Diesen Aufwand möchten nun erste Kommunen in Sachsen reduzieren, indem sie vorab Behandlungsscheine zur Verfügung stellen oder eine Regelung mit den Krankenkassen treffen.
Flickenteppich vermeiden
Die AOK PLUS befürwortet es, Flüchtlinge mit einer elektronischen Gesundheitskarte auszustatten und ist bereit, das umzusetzen –
von Rainer Striebel, Vorstandsvorsitzender AOK PLUSallerdings nicht einzelvertraglich für jeden Landkreis oder jede Kommune nach individuellen Kriterien, sondern auf der Basis einer Rahmenvereinbarung mit dem Land Sachsen beziehungsweise Thüringen
Keine Kostenausweitung
An den technischen Voraussetzungen wird AOK-intern gearbeitet. Im ersten Quartal 2016 könnte mit der Umsetzung begonnen werden. Erfahrungen der AOK Bremen/ Bremerhaven zeigen, dass die von einzelnen Kommunalvertretern befürchtete Kostenausweitung durch die Versorgung mit der eGK nicht eintritt. Die Durchschnittskosten für die Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen pro Kopf und Jahr liegen dort niedriger als beispielsweise von Hartz-IV-Empfängern. Und auch die Erfahrungen aus der ersten sächsischen „Flüchtlingspraxis“ in Dresden, die seit Mitte September arbeitet, und der seit Oktober in Leipzig und seit November in Chemnitz arbeitenden derartigen Praxen zeigen, dass Flüchtlinge eine „Luxusbehandlung“ weder suchen noch bekommen.
Bei rund 90 bis 100 Patienten pro Tag ergibt sich ein wenig dramatisches Bild.
von Ingo Mohn, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) SachsenDie Patienten haben dieselben Krankheiten, wie das in jeder anderen Hausarztpraxis im Herbst der Fall ist, plus körperliche und psychische Symptome, die Folgen der Strapazen ihrer Flucht sind
In Thüringen wird eine erste „Entlastungspraxis“ ausschließlich zur Akutversorgung von Flüchtlingen von der KV Thüringen und dem Deutschen Roten Kreuz in Suhl vorbereitet. In Erfurt soll eine vergleichbare Einrichtung in Verantwortung des Gesundheitsamtes entstehen. In Jena werden nach Aussage des Sprechers der KV Thüringen, Veit Malolepsy, Flüchtlinge bislang ohne Probleme in den Arztpraxen im Stadtgebiet behandelt.
Mehr zum Thema auf mdr.de: Einführung der Gesundheitskarte für Flüchtlinge verzögert sich