Justin und die Drachenkinder

Die Geschichte von Jana Webers Familie beginnt vor drei Jahren. „Im März 2014 bekamen wir die Diagnose: unser jüngster Sohn hat Leukämie“, erzählt Jana Weber. Der Kleine ist damals noch nicht einmal drei Jahre alt. Von einem Tag auf den anderen war das Leben der Familie aus dem sächsischen Wilschdorf auf den Kopf gestellt, bestimmt von Behandlungen und Zukunftsängsten. „Nur Justin sagte nichts.“
Justin ist das älteste Kind von Jana Weber. Ein freundlicher, hoch gewachsener 13-Jähriger. Als sein Bruder krank wird, zieht er sich zurück. Seine Stille macht den Eltern Angst. „Er hat nie gefragt, hat nie geweint“, sagt seine Mutter. „Ich dachte, irgendwann platzt er.“
Die Geschwister nicht vergessen
Im Krankenhaus knüpft Jana Weber Kontakt zum Sonnenstrahl e.V. Der Verein ist ein Förderkreis für krebskranke Kinder und Jugendliche, hat aber auch deren Brüder und Schwestern im Blick. „Geschwisterarbeit“ nennen das die Sozialpädagogen.
Das klingt zwar etwas technisch, ist für die betroffenen Familien aber unheimlich wichtig. Denn wenn fast alle Kraft – verständlicherweise – für das erkrankte Kind aufgewendet wird, bleiben die gesunden Geschwister und ihre Bedürfnisse leider oft auf der Strecke. Die Belastung kann zu einer Gefahr für ihre psychische Gesundheit werden.
Lernen ohne es zu merken
An diesen Punkt setzen die zwei Präventionsprogramme an, die der Sonnenstrahl e.V. mit entwickelt hat: den Kurs „Supporting Siblings“ (SuSi) und den Geschwistertreff „Jetzt bin ICH mal dran!“. Beide, um die Geschwister schwerkranker, chronisch kranker und behinderter Kinder zu stärken – so auch Justin.
„Man darf sich das nicht wie eine Schule vorstellen“, erklärt Ulrike Grundmann, stellvertretende Geschäftsführerin des Sonnenstrahl e.V. und Leiterin des psychosozialen Teams. „Die Kinder merken nicht, dass sie in einem Stresspräventionsprogramm sind.“
von Ottmar Walz, AOK PLUSWir sind die erste Krankenkasse, die Geschwisterarbeit in die Regelversorgung aufnimmt.
So baut der Geschwistertreff auf der Geschichte eines kleinen Drachen auf, der sich um seinen kranken Bruder sorgt. Die Kinder und Jugendlichen lernen mehr über die Krankheit ihrer Geschwister. Wie funktioniert der Körper? Was passiert da gerade? Doch dann wandert der Fokus weg vom kranken Kind, hin zu Bruder oder Schwester. Was macht das alles mit mir? Wie komme ich damit klar?
24 Einheiten umfasst der Kurs. Sie sind jeweils zwischen 60 und 90 Minuten lang, und finden entweder im wöchentlichen Rhythmus statt oder innerhalb einer Ferienwoche. Zwei Jahre lang wurden die Programme im Rahmen eines Modellprojektes mit der AOK PLUS erprobt. 26 Versicherte haben bisher teilgenommen.
„Ich war drei mal in Camps“, erzählt Justin. Natur, Floß fahren, mal raus kommen. Die Camps waren immer ein Stück Urlaub, vor allem aber hätten die Gespräche mit den Fachkräften und der Austausch mit anderen Geschwistern dem Teenager geholfen, die vergangenen Jahre zu verarbeiten, sagt er. Heute findet die Familie langsam in den Alltag zurück.
Geschwisterarbeit wird Regelleistung
Zukünftig sollen noch viel mehr Kinder und Jugendliche von den Präventionsangeboten profitieren können. Überzeugt von den positiven Ergebnissen der vergangenen Jahre, hat die AOK PLUS mit dem Sonnenstrahl e.V. einen Rahmenvertrag geschlossen. „Wir wollen unseren Versicherten in schweren Zeiten ein Partner sein“, sagt Ottmar Walz, Geschäftsführer des Unternehmensbereichs Markt. „Deshalb unterstützen wir das Projekt sehr gern.“ Betroffene Familien erhalten in ihrer AOK PLUS-Filiale auf Anfrage einen Gutschein für die Kursteilnahme.
Interessante Links:
- „Wenn der Bruder an Krebs erkrankt“: Beitrag in der Sächsischen Zeitung zum Geschwisterprogramm
- Website des Sonnenstrahl e.V.