Perspektivwechsel für Azubis

In der Kleiderkammer des Deutschen Roten Kreuzes Chemnitz summt es wie in einem Bienenstock: Männer, Frauen, Kinder schlängeln sich durch die vollen Gänge. Im Minutentakt öffnet sich die Eingangstür. Eine ältere Dame trägt Tüten herein, sie möchte Kleidung spenden. Ein paar junge Männer transportieren eine Couch ab.
Sozialkompetenz erlernen
Nebenan im Lager stapeln sich Taschen, Säcke, Kartons. Mittendrin steht Nora Müller und sortiert Wintersachen. Die 21-Jährige macht eigentlich eine Ausbildung zur Sozialversicherungsfachangestellten – auch „Sofa“ genannt – bei der AOK PLUS. Doch statt die Schulbank zu drücken oder Versicherte zu beraten, arbeitet sie für eine Woche in der Kleiderkammer.
Die soziale Projektwoche ist fester Bestandteil von Noras Ausbildung. Denn der AOK PLUS ist wichtig, dass ihre jüngsten Mitarbeiter erfahren, dass Lebenssituationen unterschiedlich aussehen können.
Deshalb absolvieren alle angehenden Sofas eine soziale Projektwoche in einer gemeinnützigen Einrichtung oder einem wohltätigen Verein. Darunter sind Behindertenwerkstätten, Kitas oder Pflegeeinrichtungen.
Starkes Team
Nora musste nicht lange überlegen, wo sie mitarbeiten wollte. „Das DRK ist so bekannt, es fiel mir automatisch zuerst ein. Ich wollte aktiv sein, mit Menschen in Kontakt kommen und helfen“, erzählt sie. „Ich packe die Spenden aus und sortiere sie. Dann fülle ich die Regale draußen mit neuen Sachen auf“, fährt sie fort. „Obwohl ich hier neu bin, haben sich die Menschen, die hierher kommen, sofort auch an mich gewandt. Das hat mich sehr gefreut.“
Zwischen 100 und 150 Menschen gehen täglich in die Kleiderkammer in der Lothringer Straße. Vier Festangestellte und zehn Ehrenamtliche teilen sich die Dienste. Sie sprechen Deutsch, Englisch, Russisch und Arabisch. Sprachbarrieren gibt es kaum.
Erfahrungen sammeln
Ziel des Perspektivwechsels ist auch, dass die Azubis Sicherheit und Sensibilität im Umgang mit hilfsbedürftigen Menschen gewinnen und das später in der Kundenberatung umzusetzen. „Ich habe ganz schnell gemerkt, dass man die Menschen nicht auf ihr Äußeres reduzieren darf“, sagt Nora. „Man weiß nicht, was sie vielleicht gerade durchmachen.“