„Manche nehmen sich zu viel vor“: Wie die AOK PLUS die Startups für ihren Accelerator auswählt

Tausche hundert Jahre Berufserfahrung gegen innovative Versorgungsideen. So ungefähr begann die „Partnersuche“ der AOK PLUS für das erste sechsmonatige Förderprogramm gemeinsam mit dem SpinLab Leipzig. Die Gesundheitskasse und der Accelerator der Leipzig Graduate School of Management (HHL) wollen gemeinsam mit Gründern intelligente Lösungen für das Gesundheitswesen voranbringen.
Die Resonanz war, vorsichtig ausgedrückt, erfreulich. Mehr als fünfzig Bewerbungen seien eingegangen, sagte mir Stefanie Sagl, die den Bereich Strategie/Innovation leitet, als ich sie im Oktober kurz nach Ablauf der Bewerbungsfrist anrief. Wow.
Roboter, Socken, Pflegekräfte
Viele Ideen drehten sich darum, den Umgang mit verschiedenen Krankheitsbildern besser zu meistern – ob mittels App, Roboter oder Socken (wirklich). Andere widmeten sich Pflege, Sport, Selbsthilfe, Medikation oder Entspannung. Auch Anwendungen für Leistungserbringer und die Kasse selbst wurden vorgeschlagen (liebevoll „Prozessoptimierung“ genannt).
Das große Interesse der Gründer-Szene ließ bei der AOK PLUS ordentlich die Köpfe rauchen: Kollegen aus den Bereichen Versorgung, Produktmanagement, Finanzen und Innovation sichteten alle Bewerbungen und prüften: Was ist sinnvoll? Was ist machbar?
Bloß nicht den Überblick verlieren
Sechs Favoriten wurden ausgewählt. In der nächsten Runde dürfen sie ihre Produkte beim Pitch Day im SpinLab in der Leipziger Baumwollspinnerei vorstellen.
Es ist mittlerweile wesentlich kälter als im August, als unser Vorstand Stefan Knupfer und SpinLab-Geschäftsführer Eric Weber den Vertrag für das gemeinsame Startup-Förderprogramm unterzeichneten. Dafür kommen wir der Antwort auf die beliebte Frage „Und was genau entwickelt ihr dann mit den Startups?“ einen entscheidenden Schritt näher.
von Stefanie Sagl - AOK PLUS Geschäftsbereich Strategie/InnovationEs ist wichtig, dass das Gründerteam zusammenpasst.
Beim Pitch Day geht nach einer jeweils zehnminütigen Präsentation der Produkte der Fragemarathon weiter. Welche Vorstellung haben die Gründer vom deutschen Gesundheitsmarkt und ist die überhaupt realistisch? Wie unterscheiden sich ihre Startups von bereits bekannten Marken und Produkten? Sind die Konzepte wirklich zu Ende gedacht? Können sich die Firmen in der Zukunft wirtschaftlich selbst tragen? Was sagt das Sozialgesetzbuch zu den Ideen und, ach ja, hat eigentlich jemand an den G-BA gedacht? Mir schwirrt schon der Kopf.
Während ich das Ping-Pong-Spiel zwischen Gründern und meinen fünf Kollegen, die hier die finale Entscheidung treffen sollen, beobachte, fällt mir ein: Richtig, der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) entscheidet über den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung.
AOK PLUS als erfahrener Mentor
Und nicht nur auf Bundesebene gibt es Gesetze und Strukturen, die berücksichtigt werden wollen. Als sächsisch-thüringische Kasse und Marktführer denken wir auch für die Versicherten vor Ort mit. Was brauchen die Menschen in den Freistaaten, wie kann die Versorgung weiter verbessert werden?
Klingt technisch? Keine Angst, es darf auch gelacht werden. Ich für meinen Teil bin schwer beeindruckt von den Gründern, ihrem Unternehmergeist und den Geschichten hinter den Produkten. Im Gesundheitswesen einen Fuß in die Tür zu kriegen ist unheimlich schwer. Aber genau deshalb sind wir ja hier.
„Durch unsere Zusammenarbeit mit der AOK PLUS können wir das Förderprogramm noch weiter verbessern“, sagt SpinLab-Chef Eric Weber. „Sie hat die Reichweite, die die Startups brauchen, und das Know-How, wie man mit den Komplexitäten im Gesundheitssystem umgeht.“ Von seinem Team bekommen die Startups zudem das nötige Wissen über Markteinführung, Marketing und Finanzierung an die Hand.
von Eric Weber - Geschäftsführer SpinLab LeipzigDie AOK PLUS hat die Reichweite, die die Startups brauchen, und das Know-How, wie man mit den Komplexitäten im Gesundheitssystem umgeht.
Nach sechs Pitches und einer intensiven Diskussion unter den Fachleuten „hat sich noch einmal die Spreu vom Weizen getrennt“, wie Stefanie Sagl sagt. „Wir haben zwei Startups gefunden, die uns sehr, sehr gut gefallen.“
Die Finalisten stehen fest
Was hat den Ausschlag gegeben? Zwei Dinge: „Das Team muss überzeugen – und sie brauchen eine überzeugende Geschäftsidee. Einige nehmen sich zu viel vor. Wir suchen nicht die eierlegende Wollmilchsau. Uns ist viel wichtiger, dass die Teams ein konkretes Produkt haben, bei dem wir denken: Das kann klappen!“
Übrigens: Wer sich durchgesetzt hat, verraten wir in wenigen Wochen. Am 8. Januar beziehen „die Neuen“ ihre Arbeitsplätze in der Baumwollspinnerei.