„Wir müssen die Position der Patienten weiter verbessern“

Beim Verdacht auf einen Behandlungsfehler haben Betroffene oft einen langen und beschwerlichen Weg vor sich, um zu ihrem Recht zu kommen. Olaf Schrodi und sein Team unterstützen Betroffene.
Herr Schrodi, die Schere im Bauch vergessen, das Baby per Notkaiserschnitt zu spät geholt: Haben Sie es mit solchen Behandlungsfehlern bei der AOK PLUS zu tun?
Olaf Schrodi: Solche Fälle kommen vor, sind aber selten. Wir beobachten vielmehr, dass Operationen in der Regel ordnungsgemäß verlaufen, es aber im Anschluss zu Komplikationen kommt. Darauf reagieren die Behandler oft nicht richtig. Das gilt zum Beispiel für infizierte Wunden oder Fieber, oft passiert zu lange nichts. Patienten beklagen vielfach mangelnde Kommunikation von Ärzten.
Was tut die AOK, wenn sich Versicherte mit dem Verdacht auf einen Behandlungsfehler melden?
Schrodi: In der Regel nehmen zunächst geschulte Mitarbeiter in der AOK-Filiale des Versicherten den Vorwurf auf und dokumentieren ihn. Gibt uns der Versicherte eine Schweigepflichtentbindung, fordern wir die Behandlungsunterlagen an. Ab hier kümmert sich unser Team aus acht Experten für das Behandlungsfehlermanagement um den Fall. Deutet etwas auf einen Fehler hin, fordern wir beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung eine medizinische Einschätzung an.
Und wenn sich der Verdacht bestätigt?
Schrodi: Dann beraten wir den Versicherten über die rechtlichen Möglichkeiten. Wir dürfen aber weder Anwalts- noch Gerichtskosten übernehmen. Allerdings können wir selbst auch klagen, wenn Kosten durch weitere Behandlungen entstehen. Von den 851 Fällen, die wir im Jahr 2016 abgeschlossen haben, erwiesen sich 122 als Behandlungsfehler. Die große Zahl gemeldeter Verdachtsfälle zeigt, dass die Hemmschwelle der Patienten niedrig ist, sich bei uns zu melden. Das finden wir gut.
Seit fünf Jahren gibt es das Patientenrechtegesetz. Taugt es, um Patienten zu ihrem Recht zu verhelfen?
Schrodi: Für Patienten gibt es auf dem Weg zu ihrem Recht nach wie vor viele Hürden. Zum Beispiel kommt es trotz des gesetzlich vorgeschriebenen Einsichtsrechts in die Behandlungsunterlagen immer noch vor, dass sie sich dieses erstreiten müssen. Zudem müssen Patienten weiterhin lange gerichtliche Auseinandersetzungen durchstehen, Haftpflichtversicherer verschleppen oft trotz eines eindeutigen Sachverhalts Zahlungen. Insgesamt hat das Gesetz nur bedingt Waffengleichheit zwischen Behandler und Patient hergestellt. Allein durch das Wissensgefälle ist der Patient weiter in der schlechteren Verhandlungsposition. Das müssen wir verbessern.
Was müsste sich ändern?
Schrodi: Wir haben viele konkrete Vorschläge, um die Rechte der Patienten zu stärken. Gibt der Behandler beispielsweise die Unterlagen nicht heraus, sollte erst bei vollständigem Vorliegen der Dokumente die Verjährungsfrist einsetzen. Gibt es Anhaltspunkte für einen Fehler, müsste der Behandler den Patienten automatisch informieren müssen. Klären Ärzte nicht über den Nutzen von IGeL-Leistungen auf, sollten sie ihren Anspruch auf Vergütung verlieren. Zum Vermeiden langer gerichtlicher Auseinandersetzungen sollte das Gericht eine Mediation anordnen dürfen.